»Russland spielt Schach, die Amerikaner spielen Poker, wir spielen Mensch-ärgere-Dich-nicht« (Dr. Frank Umbach, Politikwissenschaftler und Energieexperte, zitiert nach Telepolis, 20. Januar 2022); eher aber wohl »Snape explodiert« (Insider-Gag für Harry Potter-Fans).
Vier Explosionen an Nord-Stream I und II – und die dänische, die deutsche, die schwedische Marine-Aufklärer haben keine Ahnung, wer das war. Wie glaubhaft ist das denn? Der Bundeswehr-Kommandeur Kapitän zur See Giss betont in der Tagesschau vom 28.09.22 zwar die deutsche Führungsrolle bei der Überwachung der Ostsee, hat aber nur eines aufgeklärt: dass die Russen über Kleinst-U-Boote und Unterwasser-Drohnen verfügen. Klar, die Russen bauen solche Pipelines nur, um sie dann selbst zu zerstören. Wer – wie die Schweden – jedes Jahr russische U-Boote zwischen den Schären entdeckt, glaubt auch an die These, Russland zerstöre seine eigenen Pipelines.
Cui bono? Wem nützt es? fragen Kriminalisten angesichts eines Verbrechens. Tja, wem wohl? Denen, die verhindern wollen, dass Deutschland billiges Erdgas aus Russland bekommt. Und wer will das verhindern? Wer hat bereits öffentlich angekündigt, dass er es verhindern wird? Wer hat Kleinst-U-Boote, Drohnen und Kampftaucher? Ich will ja nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen, ich wundere mich nur, dass diesmal kein unbeschädigter Ausweis am Tatort lag, wie sie ihn vor 21 Jahren am 11. September 2001 »gefunden« haben. Nur müsste es diesmal ein russischer, kein islamistischer sein – als schlagender Beweis, wer es nur gewesen sein kann. Sprengstoffspezialisten sind sie jedenfalls, unsere Freunde. Die ja nur Kanzler abhören, nicht die Ostsee. »Pipeline sprengen unter Freunden geht gar nicht!«, titelten die Nachdenkseiten vom 28.09.22.
Dem kann ich mich nur anschließen.
Und die Perversität dieses Anschlags ist unbeschreibbar. Selbst wenn man es nur auf Deutschland bezieht. Wie Bauernverbandspräsident Rukwied es ausdrückte: »Ohne Gas keine Milch, keine Butter, kein Joghurt« (dpa/jW, 16.09.22)
Weltweit verhungern 19.700 Menschen täglich – und damit etwa alle vier Sekunden ein Mensch (AFP/jW, 20.09.22). Unter anderem auch wegen des Klimawandels, der nun noch zusätzlich durch das aus den Lecks austretende Methangas beschleunigt wird. Dann könnten die vier »Kipppunkte« schon früher als 2030 erreicht werden, wie es von dem Team von der University of Exeter (Großbritannien) in Science errechnet wurde (dpa/jW, 10./11.09.22) Noch früher können die Gletscher auf Grönland und in der Westantarktis schmelzen, noch früher der Permafrostboden auftauen, noch früher die tropischen Korallenriffe absterben – mit nicht absehbaren Folgen.
Aber wir sind mit anderen Problemen beschäftigt. In der Ukraine will man die »Russenfrage lösen, und zwar mit Gewalt«, wie der Leiter des Präsidentenamtes, Andrij Jermak erklärte (jW, 22.09.22). Russland löst die Ukraine-Frage mit Referenden, die nicht anerkannt werden, und mit der Androhung von Gewalt, sollte das nun zu Russland gehörende Territorium angegriffen werden. Und Russland spielt Schach, nicht Poker, es blufft nicht.
Die Bundesregierung stellt das »Territoriale Führungskommando« der Bundeswehr ab ersten Oktober in Dienst, das die Reaktionsfähigkeit auf eine gezielte Destabilisierung zügig verbessern soll. Der Leiter, Generalleutnant Carsten Breuer, der schon die Corona-Maßnahmen so »erfolgreich« steuerte, raunt etwas von »hybrider Kriegsführung«, die zu beherrschen sei, und zwar »in ihrer ganzen Bandbreite« (jW, 26.09.22)
Hat er die Anschläge auf die Pipelines schon im Blick gehabt? Mensch, ärgere dich nicht!
Nun, ein Problem ist jetzt gelöst: Die Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hat einen Endlager-Standort gefunden. »Die Geologie hat gesprochen«, meinte Nagra-Chef Braun. Die Schicht des Opalinus-Tons binde radioaktives Material und könne Risse selbst kitten. Risse selbst kitten! Fantastisch!
Am besten, wir lagern das Kernkraftwerk Neckarwestheim II auch dort ein, damit die dortigen Risse gekittet werden können vom Opalinuston. Schließlich wollen wir es noch drei Monate länger ohne Sicherheitsüberprüfung und mit bekannten Rissen in Betrieb halten!
Und dann spielen wir »Snape explodiert«.